Nein. Psychose ist nicht das Problem.

Letzte Woche erschien in der ZEIT ein Artikel, in dem nahegelegt wird, dass Gewalttaten häufig von Menschen mit Schizophrenie begangen würden – und dass diese Menschen Medikamente bräuchten, um das Gewaltrisiko zu kontrollieren. Bereits im Februar veröffentlichte ZEIT Online einen ähnlichen Beitrag, in dem suggeriert wurde, Psychosen seien die Ursache für Amokläufe. Auch dort wurde gefordert, Betroffene notfalls gegen ihren Willen mit Depot-Neuroleptika zu behandeln.

Viele Menschen greifen gleich zu Psychopharmaka, und das ist für mich ein großes Problem. Denn Psychopharmaka heilen nicht, sondern unterdrücken die Ursachen und Symptome psychischer Störungen. Dadurch werden psychische Störungen und damit auch die Menschen, die darunter leiden, unsichtbar. Sie verschwinden aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit – bis die nächste Schlagzeile ruft, wie gefährlich sie sind.

Tatsache ist, dass eine bloße Korrelation noch lange keine Ursächlichkeit ausmacht. Psychische Erkrankungen können auch nicht die alleinige Ursache von Gewalttaten sein, denn sie selbst sind, meiner Meinung nach, nicht selten die Folge erlebter Gewalt. Wenn sich wissenschaftlich nachweisen ließe, dass Psychosen und Schizophrenie das Gewalt- und Amokrisiko steigern, wäre das eine Tatsache, die berücksichtigt werden müsste. In den Zeitungsartikeln wird jedoch nicht auf entsprechende Studien hingewiesen.

Um das Gewaltrisiko in unserer Gesellschaft nachhaltig zu senken, brauchen wir die ernsthafte Bereitschaft aller Mitglieder unserer Gesellschaft, Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihrem Leid wahrzunehmen und ihnen zuzuhören. Genau dort beginnt für mich die Heilung. Die Heilung seelischen Leidens, der Wut und der Aggressionen, die erst recht begünstigt werden, wenn sie nicht wahrgenommen werden dürfen und nur unterdrückt werden können.

Ich habe kein Verständnis dafür, wenn in den Nachrichten immer wieder zu lesen ist, dass Menschen mit Schizophrenie die Allgemeinheit gefährden und am besten medikamentös zwangsbehandelt werden müssten. Nein! Genau das ist der falsche Weg, denn er stigmatisiert und erzeugt am Ende nur noch mehr Gewalt.

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