Mein Weg mit Neuroleptika – ein Rückblick

In diesem Beitrag möchte ich den Verlauf meiner Aripiprazoleinnahme von meiner ersten Psychose im August 2010 bis heute nachzeichnen. Aripiprazol ist ein atypisches Neuroleptikum zur Behandlung von Schizophrenie. Seit meiner ersten Psychose habe ich es – mit wenigen Ausnahmen – durchgehend als Monotherapie eingenommen.

Rückblickend lässt sich mein Umgang mit dem Neuroleptikum in drei Phasen gliedern.

Phase 1: Medikamentös hergestellte Stabilität (2010 bis 2016)

Nach meiner ersten Psychose erhielt ich täglich 15 Milligramm Aripiprazol (A im Diagramm). Diese Dosis nahm ich über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren ein. Zwar stabilisierte mich das Medikament, doch es wirkte sich tiefgreifend auf meine Lebensqualität aus. Ich konnte kaum noch klar denken oder fühlen und litt dauerhaft unter Antriebslosigkeit. Zudem war mein natürliches Sättigungsgefühl nicht mehr vorhanden, und ich entwickelte Adipositas.

Ein denkwürdiges Erlebnis hatte ich nach einem anregenden Austausch im Online-Forum für Menschen mit Schizophrenie. Ich verspürte große Freude – ein in dieser Zeit sehr seltenes Gefühl. Die Tatsache, dass ich überhaupt Gefühle empfand, verunsicherte mich. Als ich meiner damaligen Psychiaterin davon berichtete, erhöhte sie die Dosis für zwei Wochen auf 20 Milligramm (B im Diagramm).

Phase 2: Absetzversuche und Rückfälle (2016 bis 2019)

Zwischen 2016 und 2019 unternahm ich drei Versuche, das Aripiprazol vollständig abzusetzen (C, D und E im Diagramm). Jedes Mal fühlte ich mich nach dem Absetzen befreit. Mein Denken wurde klarer, meine Gefühle intensiver und mein Sättigungsgefühl kehrte zurück. Diese Erfahrungen führten dazu, dass ich die etablierte medikamentöse Behandlung von Schizophrenie mit Neuroleptika zunehmend kritisch hinterfragte.

Allerdings kam es nach den ersten beiden Absetzversuchen zu Rückfällen mit psychotischen Symptomen, die stationäre Aufenthalte erforderlich machten. Ich begann mich zu fragen, ob ein Leben ohne Neuroleptika für mich möglich ist und wie viel Selbstbestimmung mir im Umgang mit meinen psychischen Beeinträchtigungen tatsächlich zusteht.

Phase 3: Stabilität und Lebendigkeit mit Minimaldosis (seit 2019)

In den Jahren zuvor hatte ich gelernt, psychotische Frühsymptome mithilfe mentalen Trainings frühzeitig zu erkennen und mein Verhalten entsprechend anzupassen. Nachdem die Symptome nach dem dritten Absetzversuch erneut aufgetreten waren, entschloss ich mich, Aripiprazol in einer möglichst niedrigen Dosierung einzunehmen.

Mit der Zeit stellte ich fest, dass bereits ein Milligramm pro Tag ausreichte, um stabil zu bleiben (F im Diagramm). Die störenden Wirkungen des Neuroleptikums waren bei dieser Minimaldosis deutlich schwächer ausgeprägt. Zwar waren die kognitiven Einschränkungen und das fehlende Sättigungsgefühl weiterhin vorhanden, doch sie waren erträglich geworden.

In den folgenden Jahren gelang es mir, viele Krisensituationen ohne zusätzliches Aripiprazol zu bewältigen. In einigen Fällen (G, I und J im Diagramm) musste ich die Dosis jedoch kurzzeitig geringfügig erhöhen. Mehrfach versuchte ich auch, die Dosis unter ein Milligramm zu senken (H, J und K im Diagramm), kehrte aber stets zur täglichen Dosis von einem Milligramm zurück.

Ein neues Verständnis von Krise und Behandlung

Nach den besonders herausfordernden Jahren entwickelte ich gegen Ende des letzten Jahres einen Burnout und begab mich im Januar in eine teilstationäre Behandlung (L im Diagramm). Zwar war ich erschöpft, doch da ich keine psychotischen Symptome hatte, konnte ich klar denken und fühlen. So erlebte ich ein psychiatrisches Umfeld zum ersten Mal als wirklich hilfreich und unterstützend.

Der Oberarzt fragte mich, ob ich zusätzlich ein Antidepressivum einnehmen möchte. Ich äußerte jedoch den Wunsch, auf weitere Medikamente zu verzichten. Er war damit einverstanden. So konnte ich die Erfahrung machen, dass ein Burnout auch ohne den Einsatz weiterer Psychopharmaka durch vielfältige Therapien und zahlreiche therapeutische Gespräche heilbar ist.

Fazit

Mein Weg mit Aripiprazol war lang und fordernd und ist bis heute nicht abgeschlossen. In den vergangenen 15 Jahren habe ich jedoch gelernt, meine psychische Gesundheit individuell und selbstbestimmt zu gestalten – auch jenseits der offiziellen Leitlinien zur Behandlung von Schizophrenie.

Heute gelingt es mir, mit minimaler Medikation psychisch stabil zu bleiben und zugleich so lebendig wie möglich zu sein. Einerseits waren meine Erfahrungen mit den Psychosen sowie das mentale Training, das ich daraus entwickelt habe, auf diesem Weg von großer Bedeutung. Andererseits waren die Unterstützung und Augenhöhe, die ich durch mein soziales und berufliches Umfeld erfahren durfte, sehr hilfreich und heilsam.

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