Kategorie: Blog

  • In Gedanken muss jeder (vernünftige) Mensch Hitler und Hirohito sein dürfen

    In Gedanken muss jeder (vernünftige) Mensch Hitler und Hirohito sein dürfen

    Anmerkung der Autorin: Dieser Titel ist bewusst provokant. Wenn er Empörung auslöst, während zu wenig Empörung über Kriege und das unermessliche Leid dieser Welt herrscht – wie den von der UN festgestellten Genozid in Gaza durch die israelische Armee und Regierung – dann erfüllt er seinen Zweck.

    Hass und Gewalt können in schwierigen Lebenssituationen verständliche, wenn auch unerwünschte Reaktionen sein. Es ist nicht möglich, Gedanken und Gefühle zu verbieten – sie brauchen Raum, um erkannt und verstanden zu werden.

    Entscheidend ist, dass ein vernünftiger Mensch zwischen innerem Erleben und äußerem Handeln unterscheiden kann. Gedanken sind nicht gleich Taten. Verhalten lässt sich steuern, anpassen und sozialverträglich gestalten.

    Die Gefährlichkeit psychotischer Störungen liegt darin, dass Betroffene im Wahn den Realitätsbezug und damit die Urteilskraft verlieren können. Maßnahmen wie der pauschale Einsatz von Psychopharmaka können jedoch keine alleinige Lösung sein, da das individuelle Risiko nicht vorhersehbar ist. Unterdrückung schafft keine Sicherheit.

    In mir selbst erkenne ich Extreme nebeneinander: In meinen Gedanken könnte ich Hitler oder Hirohito sein und ebenso Jesus, und meistens irgendetwas dazwischen. Diese Einsicht zwingt mich, mich selbst zu beobachten und bewusst zu entscheiden, was ich für richtig halte.

    Meine Erfahrungen und Beobachtungen zeigen, dass es Wege aus Hass und Gewalt gibt, die nicht auf eskalierender Gegengewalt basieren. Seelische Wunden können heilen, oft besser als gedacht. Diese Wege bestehen in der Bereitschaft jedes Menschen, den anderen wahrzunehmen, ihm zuzuhören, ihn zu verstehen und anzuerkennen. Der andere ist wie ich ein Mensch, der Freiheit und Frieden sucht und leben will.

  • Gesundheitssymptome

    Gesundheitssymptome

    Heute wurde mir einmal mehr bewusst, wie gut ich selbst für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden sorgen kann. Mir geht es gut!

    Es ist ein wohliges, sättigendes und nach vorne gerichtetes Gefühl, mich in bewegtem Gleichgewicht mit meinem Umfeld zu befinden. Ich kann das Glück sehen und es genießen. Daran festhalten und dafür dankbar sein. Mit Fassung die Zukunft erwarten.

    In Zeiten, in denen ich krank bin, höre ich auf andere, die sagen, dass es mir bald wieder besser gehen wird. In einem gesunden, unterstützenden und inklusiven Umfeld zu leben, macht mich gesünder und resilienter.

    Gesundheitssymptome zeigen sich nicht einfach so. Ich entscheide mich bewusst dafür und bitte mein Umfeld um Unterstützung. Es dauert. Doch alles zählt, und nie ist es zu spät, Gesundheitssymptome zu kultivieren.

  • Beni Chanchan, unsere geliebte Hündin

    Beni Chanchan, unsere geliebte Hündin

    Heute wurde unsere Shiba-Hündin Beni Chanchan (紅・ちゃんちゃん) zwei Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

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    Vor einem Jahr haben wir zu Chanchans erstem Geburtstag ebenfalls ein Video erstellt. Wie schnell die Zeit vergeht!

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    Chanchan ist unsere erste Hündin. Der Wunsch nach einem Hund kam von mir. Mein Mann wollte allerdings nur einen Shiba Inu halten – wenn überhaupt einen Hund. Also nahmen wir Kontakt zum Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) auf. Schließlich lernten wir Züchter in Niederbayern kennen, die ihre Shibas liebten und sich sehr gut um sie kümmerten.

    Chanchan ist eine wunderbare Hündin: charakterstark, klug, hübsch, lebensfroh – und eine große Bereicherung für uns. Gleichzeitig stellt sie uns aber auch vor Herausforderungen. Das liegt nicht nur an ihrer Rasse als selbstständiger und wachsamer Jagdhund, sondern auch an unserer Unerfahrenheit als Hundehalter.

    Ich fühle mich mit Chanchan besonders verbunden. Ihre Vorfahren stammen aus Japan – genau wie ich, die den größten Teil ihres Lebens als Auslandsjapanerin in Deutschland verbracht hat.

  • Ganz genau – Bangers und Mash!

    Ganz genau – Bangers und Mash!

    1987, als ich zehn Jahre alt war, zog meine Familie nach London, da mein Vater dort als Auslandskorrespondent arbeiten sollte. Zum ersten Mal verließ ich Japan und kam in die 6. Klasse der Martin Junior School. Ich erinnere mich noch daran, dass ich einen kurzen blauen Jeansrock und ein rotes Sweatshirt trug – die anderen Kinder kamen in Schuluniformen, was mir ungewohnt war. Meine Mutter verabschiedete sich im Innenhof der Schule von mir, und ich schloss mich den anderen Kindern an. Ich sprach kein Englisch, war sehr aufgeregt und fühlte mich unsicher.

    Mit der Zeit lernte ich viele Kinder kennen und wurde eine beliebte Schülerin. Da ich in Japan bereits Basketball gespielt hatte, spielte ich mit Begeisterung Netball und wurde bald Torhüterin der Fußballmannschaft. Im nächsten Frühjahr bastelten wir anlässlich der traditionellen Maifeier Kronen aus buntem Papier. Meine war rot und mit Blumen aus hellen Papiertüchern verziert. Sie wurde zur schönsten gekürt und ich zur Maikönigin gewählt. Die Kinder tanzten dann um mich und die hohe Stange herum, weiße Bänder in der Hand, die oben befestigt waren.

    Schwierig war für mich, das lateinische Alphabet sowie das Lesen und Schreiben neu zu erlernen. In Erinnerung geblieben ist mir die Kinderbuchserie „Bangers and Mash” von Paul Groves. Immer wieder versuchte ich gemeinsam mit der Lehrerin, daraus zu lesen und die Bedeutung der Wörter und Sätze zu verstehen. Als ich längst erwachsen war und das Internet verfügbar wurde, suchte ich vergeblich nach dem Buchtitel. Doch erst heute Morgen fand ich ihn, endlich, nach so vielen Jahren – mit Hilfe der KI.

    Es begeistert mich sehr, heute erneut die Geschichten von „Bangers and Mash” zu lesen und zu verstehen. Ich staune, wie viel Akzeptanz und Anerkennung mir die Schule und die Kinder entgegenbrachten, obwohl ich kaum Englisch sprach. In zwei Jahren werden seitdem 40 Jahre vergangen sein. Ich frage mich, was aus den Kindern und Lehrer:innen von damals geworden ist. Ich wünsche ihnen alles Gute.

  • Dem Tode so nah – Wie psychische Erkrankungen (Beziehungs-)Probleme potenzieren können

    Dem Tode so nah – Wie psychische Erkrankungen (Beziehungs-)Probleme potenzieren können

    Beim Lesen des Positionspapiers der DGPPN bin ich neulich auf Seite 5 auf das Verb potenzieren in einem für mich neuen Zusammenhang gestoßen:

    Sie (Anmerkung der Autorin: die universellen Risikofaktoren für gewalttätiges Verhalten) sind bei Menschen mit psychischen Erkrankungen genau so bedeutsam wie bei gesunden Menschen, und sie wirken sich bei einer psychischen Erkrankung potenzierend auf das Gewaltrisiko aus.

    Diese Formulierung führte mich zu dem Gedanken, dass psychische Erkrankungen generell potenzierend auf Störungen und Probleme wirken können. In der Mathematik beschreibt Potenzieren eine nichtlineare Verstärkung. Bezogen auf psychische Erkrankungen verstehe ich das so, dass Belastungen nicht einfach zunehmen, sondern leichter eskalieren und sich der Regulation entziehen können. Dadurch können Menschen leichter in eine gefühlte oder tatsächliche Lebensbedrohung geraten.

    Konflikte und Beziehungsprobleme gibt es überall und alltäglich – bei jedem Menschen, in jeder Verbindung, unabhängig vom Gesundheitszustand. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meine erste Psychose vor 15 Jahren alles zerschellte, was für mich bis dahin selbstverständlich war. Es war ein langer und zäher Weg, die Scherben aufzulesen und mich selbst wiederzuergründen, begleitet von vielfältigen – potenzierenden – gesundheitlichen Schwankungen.

    In Betroffenenforen, aktuell auf schizophrenie-online.com, beobachte ich, wie sehr wir mit psychischen Beeinträchtigungen und den daraus entstehenden Stigmatisierungen und sozialen Isolationen hadern. Ich glaube, dass es Menschen mit psychischen Erkrankungen oft unverhältnismäßig schwerer fällt, mit Konflikten und sonstigen Störungen des Lebens umzugehen als Menschen, die psychisch robuster sind.

    Deshalb muss es nicht immer an bloßen und einseitigen Vorurteilen oder diskriminierendem Verhalten liegen, wenn psychisch robustere Menschen unter sich bleiben und psychisch weniger robuste Menschen als Folge aus ihren Kreisen ausgeschlossen werden. Denn eine Beziehung mit ihnen bedeutet oft intensivere Zuwendung, mehr Geduld und mehr Beziehungsarbeit. Umgekehrt gibt es sicher auch psychisch weniger robuste Menschen, die bewusst lieber unter sich bleiben, vielleicht weil das gegenseitige Verständnis oft größer ist.

    Ohne damit das Beobachtete bewerten zu wollen. Jede Beziehung ist einzigartig – und es liegt an uns selbst, was wir daraus machen.

  • Plasmaspiegelmessung meiner Minimaldosis von 1 mg/Tag Aripiprazol

    Plasmaspiegelmessung meiner Minimaldosis von 1 mg/Tag Aripiprazol

    Gestern habe ich den Arztbrief aus der Tagesklinik Blankenburg abgeholt. Mitte April wurde ich nach einer 93-tägigen Behandlung meines Burnouts aus der Tagesklinik entlassen. Besonders wichtig war mir eine Kopie des Arztbriefes, da darin auch das Ergebnis der Plasmaspiegelmessung dokumentiert ist. Diese Blutuntersuchung hatte der neue Stationsarzt kurz vor meiner Entlassung am 8. April veranlasst, da er vermutete, dass ich eine sogenannte Low-Metabolizerin sein könnte. Das würde bedeuten, dass mein Körper Aripiprazol nur langsam abbaut und ich deshalb mit einer ungewöhnlich geringen Dosis auskomme.

    Ich selbst hatte allerdings eine andere Einschätzung, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, wie unterschiedlich stark Aripiprazol je nach Dosierung wirkt: bei 10 oder 15 mg/Tag, 5 mg/Tag, 2 mg/Tag, 1 mg/Tag, 0,5 mg/Tag und schließlich 0 mg/Tag. Wenn ich die Wirkung bei 10 – 15 mg/Tag als 100 % ansetze, würde ich sagen, dass 1 mg/Tag noch mindestens 10 %, vielleicht sogar 20 %, dieser Wirkung entfaltet.

    Das Besondere an meiner individuell ermittelten Minimaldosis, die ich nach meinem zweiten psychotischen Rückfall im Jahr 2019 in einem Prozess des „Trial and Error“ – gegen ärztlichen Rat – für mich ermittelt habe, ist, dass es dazu bislang kaum Veröffentlichungen gibt. In einer aktuellen Metaanalyse von Hart et al. (2022)1 wurde das durchschnittliche Verhältnis zwischen Plasmaspiegel und Tagesdosis für Aripiprazol mit 13,8 ng/ml pro mg/Tag angegeben. Daraus ergibt sich für eine Tagesdosis von 1 mg ein geschätzter Plasmaspiegel von etwa 14 ng/ml. Allerdings basieren die zugrunde liegenden Daten auf Studien, die erst ab einer Dosis von 10 mg/Tag untersucht wurden. Niedrigere Dosen wie meine wurden bislang nicht systematisch erfasst.

    Tatsächlich ergab die Messung meines Plasmaspiegels einen Wert von 10,5 ng/ml. Dieser Wert liegt nahe an dem linear extrapolierten Wert aus der Metaanalyse – und zeigt, dass meine Dosis niedrig, aber wirksam ist. Zum Vergleich: Das therapeutische Minimum wird in den AGNP-Leitlinien mit 100 ng/ml angegeben2. Dass ich trotzdem mit dieser Dosis zurechtkomme, liegt also nicht daran, dass ich das Medikament ungewöhnlich langsam abbaue, sondern daran, dass ich gelernt habe, psychotische Frühzeichen frühzeitig zu erkennen und mit nichtmedikamentösen Strategien gegenzusteuern.

    1. Hart, X.M., Hiemke, C., Eichentopf, L. et al. Therapeutic Reference Range for Aripiprazole in Schizophrenia Revised: a Systematic Review and Metaanalysis. Psychopharmacology 239, 3377–3391 (2022). doi: 10.1007/s00213-022-06233-2. ↩︎
    2. Hiemke C., Bergemann, N., Clement, H. W. et al. Consensus Guidelines for Therapeutic Drug Monitoring in Neuropsychopharmacology: Update 2017. Pharmacopsychiatry 51(1-02), 9-62 (2018). doi: 10.1055/s-0043-116492. ↩︎

  • Stellungnahme zum Positionspapier der DGPPN „Prävention von Gewalttaten” vom 23. Juni 2025

    Stellungnahme zum Positionspapier der DGPPN „Prävention von Gewalttaten” vom 23. Juni 2025

    Nachdem ich die beiden ZEIT-Artikel von Februar bzw. Mai dieses Jahres als einseitig und stigmatisierend empfunden hatte, war ich zunächst skeptisch, welche Haltung die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V.) in ihrem heute Morgen veröffentlichten Positionspapier vertreten würde. Umso mehr hat es mich gefreut, dass das Papier einen differenzierten Eindruck macht und sich – soweit ich das als Laie beurteilen kann – auf zahlreiche Studien und wissenschaftliche Quellen stützt.

    Wie darin unter anderem dargelegt wird, lässt sich nachweisen, dass das Gewaltrisiko bei psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen erhöht ist. Das individuelle Gewaltpotenzial kann jedoch niemals allein aufgrund einer psychiatrischen Diagnose vorhergesagt werden. Es ist zwar möglich, Risikoprofile zu erfassen, doch auch damit lassen sich gewaltbereite Straftäter:innen vor ihren Taten nicht verlässlich identifizieren. Das erscheint mir plausibel, da ich Gewalt als situativ bedingt erlebe und niemanden grundsätzlich für gewaltfrei halte.

    Besonders begrüße ich die klare Forderung nach einer konsequenten psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch die Betonung der sozialen und beruflichen Teilhabe halte ich für äußerst wichtig. Ebenso notwendig ist die Thematisierung eines möglichen Ausbaus der gesetzlichen Möglichkeiten zur medikamentösen Zwangsbehandlung in „wenigen ausgewählten Fällen“ – vorausgesetzt, dies geschieht mit größter Zurückhaltung und unter sorgfältiger Abwägung zwischen individuellen Rechten und dem Schutz öffentlicher Interessen.

    Was mir im Positionspapier gefehlt hat, ist der Hinweis, dass sich der langfristige Krankheitsverlauf durch gezielte therapeutische Maßnahmen deutlich verbessern kann, sich bei unzureichender Versorgung aber auch erheblich verschlechtern kann. Ziel jeder Behandlung sollte es sein, den Betroffenen ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und gesellschaftlicher Marginalisierung aktiv entgegenzuwirken.

    Nicht zuletzt hätte ich mir gewünscht, dass das Papier eine differenziertere und stigmatisierungsabbauende Berichterstattung in den Medien einfordert. Einseitige und stigmatisierende Darstellungen leisten keinen Beitrag zur Gewaltprävention – im Gegenteil. Was wir dringend brauchen, ist eine nachhaltige Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Nur so können mehr Menschen frühzeitig professionelle Hilfe suchen und annehmen, ohne Angst vor Ausgrenzung zu haben.

  • Mein Weg mit Neuroleptika – ein Rückblick

    Mein Weg mit Neuroleptika – ein Rückblick

    In diesem Beitrag möchte ich den Verlauf meiner Aripiprazoleinnahme von meiner ersten Psychose im August 2010 bis heute nachzeichnen. Aripiprazol ist ein atypisches Neuroleptikum zur Behandlung von Schizophrenie. Seit meiner ersten Psychose habe ich es – mit wenigen Ausnahmen – durchgehend als Monotherapie eingenommen.

    Rückblickend lässt sich mein Umgang mit dem Neuroleptikum in drei Phasen gliedern.

    Phase 1: Medikamentös hergestellte Stabilität (2010 bis 2016)

    Nach meiner ersten Psychose erhielt ich täglich 15 Milligramm Aripiprazol (A im Diagramm). Diese Dosis nahm ich über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren ein. Zwar stabilisierte mich das Medikament, doch es wirkte sich tiefgreifend auf meine Lebensqualität aus. Ich konnte kaum noch klar denken oder fühlen und litt dauerhaft unter Antriebslosigkeit. Zudem war mein natürliches Sättigungsgefühl nicht mehr vorhanden, und ich entwickelte Adipositas.

    Ein denkwürdiges Erlebnis hatte ich nach einem anregenden Austausch im Online-Forum für Menschen mit Schizophrenie. Ich verspürte große Freude – ein in dieser Zeit sehr seltenes Gefühl. Die Tatsache, dass ich überhaupt Gefühle empfand, verunsicherte mich. Als ich meiner damaligen Psychiaterin davon berichtete, erhöhte sie die Dosis für zwei Wochen auf 20 Milligramm (B im Diagramm).

    Phase 2: Absetzversuche und Rückfälle (2016 bis 2019)

    Zwischen 2016 und 2019 unternahm ich drei Versuche, das Aripiprazol vollständig abzusetzen (C, D und E im Diagramm). Jedes Mal fühlte ich mich nach dem Absetzen befreit. Mein Denken wurde klarer, meine Gefühle intensiver und mein Sättigungsgefühl kehrte zurück. Diese Erfahrungen führten dazu, dass ich die etablierte medikamentöse Behandlung von Schizophrenie mit Neuroleptika zunehmend kritisch hinterfragte.

    Allerdings kam es nach den ersten beiden Absetzversuchen zu Rückfällen mit psychotischen Symptomen, die stationäre Aufenthalte erforderlich machten. Ich begann mich zu fragen, ob ein Leben ohne Neuroleptika für mich möglich ist und wie viel Selbstbestimmung mir im Umgang mit meinen psychischen Beeinträchtigungen tatsächlich zusteht.

    Phase 3: Stabilität und Lebendigkeit mit Minimaldosis (seit 2019)

    In den Jahren zuvor hatte ich gelernt, psychotische Frühsymptome mithilfe mentalen Trainings frühzeitig zu erkennen und mein Verhalten entsprechend anzupassen. Nachdem die Symptome nach dem dritten Absetzversuch erneut aufgetreten waren, entschloss ich mich, Aripiprazol in einer möglichst niedrigen Dosierung einzunehmen.

    Mit der Zeit stellte ich fest, dass bereits ein Milligramm pro Tag ausreichte, um stabil zu bleiben (F im Diagramm). Die störenden Wirkungen des Neuroleptikums waren bei dieser Minimaldosis deutlich schwächer ausgeprägt. Zwar waren die kognitiven Einschränkungen und das fehlende Sättigungsgefühl weiterhin vorhanden, doch sie waren erträglich geworden.

    In den folgenden Jahren gelang es mir, viele Krisensituationen ohne zusätzliches Aripiprazol zu bewältigen. In einigen Fällen (G, I und J im Diagramm) musste ich die Dosis jedoch kurzzeitig geringfügig erhöhen. Mehrfach versuchte ich auch, die Dosis unter ein Milligramm zu senken (H, J und K im Diagramm), kehrte aber stets zur täglichen Dosis von einem Milligramm zurück.

    Ein neues Verständnis von Krise und Behandlung

    Nach den besonders herausfordernden Jahren entwickelte ich gegen Ende des letzten Jahres einen Burnout und begab mich im Januar in eine teilstationäre Behandlung (L im Diagramm). Zwar war ich erschöpft, doch da ich keine psychotischen Symptome hatte, konnte ich klar denken und fühlen. So erlebte ich ein psychiatrisches Umfeld zum ersten Mal als wirklich hilfreich und unterstützend.

    Der Oberarzt fragte mich, ob ich zusätzlich ein Antidepressivum einnehmen möchte. Ich äußerte jedoch den Wunsch, auf weitere Medikamente zu verzichten. Er war damit einverstanden. So konnte ich die Erfahrung machen, dass ein Burnout auch ohne den Einsatz weiterer Psychopharmaka durch vielfältige Therapien und zahlreiche therapeutische Gespräche heilbar ist.

    Fazit

    Mein Weg mit Aripiprazol war lang und fordernd und ist bis heute nicht abgeschlossen. In den vergangenen 15 Jahren habe ich jedoch gelernt, meine psychische Gesundheit individuell und selbstbestimmt zu gestalten – auch jenseits der offiziellen Leitlinien zur Behandlung von Schizophrenie.

    Heute gelingt es mir, mit minimaler Medikation psychisch stabil zu bleiben und zugleich so lebendig wie möglich zu sein. Einerseits waren meine Erfahrungen mit den Psychosen sowie das mentale Training, das ich daraus entwickelt habe, auf diesem Weg von großer Bedeutung. Andererseits waren die Unterstützung und Augenhöhe, die ich durch mein soziales und berufliches Umfeld erfahren durfte, sehr hilfreich und heilsam.

  • Psychiatrie zwischen Management und Heilung – ein Selbstversuch

    Psychiatrie zwischen Management und Heilung – ein Selbstversuch

    Seit meiner Ersterkrankung war ich viermal in der Psychiatrie: 2010, 2018 und 2019 wegen akuter Psychosen sowie dieses Jahr wegen eines Burnouts.

    Glücklicherweise konnte ich dort auch heilsame Erfahrungen machen. Andernfalls hätte ich wohl kaum die Chance gehabt, meine Skepsis gegenüber dieser Institution zu überdenken.

    Als ich die hohe Dosierung der Neuroleptika, mit denen meine Stress- und Psychoseanfälligkeit behandelt wurde, zunehmend als hinderlich empfand, wollte ich ganz ohne Medikamente auskommen und setzte sie mehrfach abrupt ab. Nachdem ich daraufhin erneut psychotisch geworden war und in die Psychiatrie eingewiesen worden war, hatte ich den Eindruck, die Ärzte wollten mir meine Selbstbestimmung nehmen und mich mit Medikamenten ruhigstellen, um mich anschließend damit zu entlassen.

    In diesem Jahr hatte ich „nur“ ein Burnout, konnte klar denken und fühlen – und war erstmals in der Lage, während der Behandlung in der Tagesklinik Blankenburg das Spektrum an Hilfsmöglichkeiten wahrzunehmen und zu nutzen, das diese Einrichtung bietet. Zum ersten Mal empfand ich die Behandlung und das Behandlungsteam der Psychiatrie als heilsam.

    Dabei wurde mir bewusst, wie sehr meine Wahrnehmung subjektiv ist. Das psychiatrische Umfeld und das Personal können gleich bleiben, doch meine Sichtweise kann sich stark verändern. Mal empfinde ich sie als hilfreich und heilsam, mal als das Gegenteil.

    Diese Erkenntnis möchte ich nutzen, um mich sowohl für ein gutes Patientenmanagement als auch für heilsame Interventionen innerhalb des psychiatrischen Versorgungssystems einzusetzen.

    Als ich im Februar einen Leserbrief zum Artikel „Das Problem heißt Psychose“ an ZEIT ONLINE schickte, um auf meine persönlichen Erfahrungen mit minimaler Medikation aufmerksam zu machen und ein strengeres psychiatrisches Management zu hinterfragen, erhielt ich keine Antwort.

    Auch auf meinen Bericht über heilsame Erfahrungen in der Psychiatrie, den ich vor sechs Wochen bei Mad in America einreichte, um der psychiatriekritischen Gemeinschaft eine alternative Stimme zu bieten, habe ich bislang keine Rückmeldung erhalten.

    Einen Mittelweg zu finden, erweist sich als schwieriger als gedacht. Das liegt sicherlich auch an meinen eigenen kommunikativen und sprachlichen Möglichkeiten.

    Der Ausgang dieses Selbstversuchs ist ungewiss. Ich weiß nicht einmal, ob sich dieser Weg wirklich lohnt.

  • Nein. Psychose ist nicht das Problem.

    Nein. Psychose ist nicht das Problem.

    Letzte Woche erschien in der ZEIT ein Artikel, in dem nahegelegt wird, dass Gewalttaten häufig von Menschen mit Schizophrenie begangen würden – und dass diese Menschen Medikamente bräuchten, um das Gewaltrisiko zu kontrollieren. Bereits im Februar veröffentlichte ZEIT Online einen ähnlichen Beitrag, in dem suggeriert wurde, Psychosen seien die Ursache für Amokläufe. Auch dort wurde gefordert, Betroffene notfalls gegen ihren Willen mit Depot-Neuroleptika zu behandeln.

    Viele Menschen greifen gleich zu Psychopharmaka, und das ist für mich ein großes Problem. Denn Psychopharmaka heilen nicht, sondern unterdrücken die Ursachen und Symptome psychischer Störungen. Dadurch werden psychische Störungen und damit auch die Menschen, die darunter leiden, unsichtbar. Sie verschwinden aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit – bis die nächste Schlagzeile ruft, wie gefährlich sie sind.

    Tatsache ist, dass eine bloße Korrelation noch lange keine Ursächlichkeit ausmacht. Psychische Erkrankungen können auch nicht die alleinige Ursache von Gewalttaten sein, denn sie selbst sind, meiner Meinung nach, nicht selten die Folge erlebter Gewalt. Wenn sich wissenschaftlich nachweisen ließe, dass Psychosen und Schizophrenie das Gewalt- und Amokrisiko steigern, wäre das eine Tatsache, die berücksichtigt werden müsste. In den Zeitungsartikeln wird jedoch nicht auf entsprechende Studien hingewiesen.

    Um das Gewaltrisiko in unserer Gesellschaft nachhaltig zu senken, brauchen wir die ernsthafte Bereitschaft aller Mitglieder unserer Gesellschaft, Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihrem Leid wahrzunehmen und ihnen zuzuhören. Genau dort beginnt für mich die Heilung. Die Heilung seelischen Leidens, der Wut und der Aggressionen, die erst recht begünstigt werden, wenn sie nicht wahrgenommen werden dürfen und nur unterdrückt werden können.

    Ich habe kein Verständnis dafür, wenn in den Nachrichten immer wieder zu lesen ist, dass Menschen mit Schizophrenie die Allgemeinheit gefährden und am besten medikamentös zwangsbehandelt werden müssten. Nein! Genau das ist der falsche Weg, denn er stigmatisiert und erzeugt am Ende nur noch mehr Gewalt.