Schlagwort: Kunst

  • Exzellenz ist inklusiv!

    Exzellenz ist inklusiv!

    Im Juli 2021 erschien mein erster Artikel mit dem Titel „Inklusion, Stigma und Arbeitsplatz – Perspektive einer Psychoseerfahrenen” in einer organisationsinternen Veröffentlichung mit einer Auflage von ca. 17.000. Darin schrieb ich über meinen Traum von der Inklusion und fragte mich, wie meine verminderte Leistungsfähigkeit zum Exzellenzbestreben der Forschungsorganisation passt.

    Seither habe ich gelernt, meinen Traum nach außen zu vertreten und mich gemeinsam mit Gleichgesinnten für Inklusion, Vielfalt und Menschenrechte einzusetzen. In der Forschungsorganisation habe ich drei Jahre in Folge die Veranstaltungsreihe zur mentalen Gesundheit koordiniert. Im Asylarbeitskreis Heidelberg war ich ein Jahr lang im Vorstand für die Geflüchtetenhilfe aktiv. Im Heidelberger Beschwerdechor habe ich für Inklusion mitgesungen.

    Beim Lesen des aktuellen Leitartikels in Le Monde diplomatique über die Rolle der USA und Chinas im globalen Handelskrieg erinnerte ich mich an ein kürzliches ZEIT ONLINE-Interview mit Niall Ferguson. Darin erklärte er, wie die DEI-Programme Tech-Unternehmer wie Musk in die Arme von Trump getrieben haben, da sie „nicht mehr die besten Leute für einen Job einstellen konnten, sondern stattdessen Minderheiten- und Opferkategorien beachten mussten“.

    Heute weiß ich: Exzellenz ist inklusiv!

    Das gilt für mich für gesellschaftliche Debatten über DEI-Programme genauso wie für die globale Ordnung. Inklusion und Vielfalt sind wichtig und relevant für alle, nicht nur für die Betroffenen. Wir alle brauchen ein Arbeitsumfeld, das wertschätzend und sicher ist, ohne den Druck, nicht krank oder leistungseingeschränkt werden zu dürfen. Ich glaube, dass Menschen nur in einem solchen Arbeitsumfeld ihre maximale Leistung erbringen und möglichst gesund bleiben können.

  • „Gemeinsam verschieden sein“

    „Gemeinsam verschieden sein“

    Heute findet die Aufführung des Heidelberger Beschwerdechors „Circus Inclusioni” im Zelt des Kinder- und Jugendzirkus Paletti in Mannheim statt. Für mich ist es die erste Zirkusaufführung, für den Chor bereits die dritte. Nach dem plötzlichen Tod meines Vaters im Oktober 2023 konnte ich nicht mehr mitsingen. Erst nachdem ich meine Burnout-Behandlung in der Tagesklinik im März fast abgeschlossen hatte, stieg ich wieder langsam in die Chorproben ein.

    In den Beschwerdechor bin ich im September 2022 eingetreten, was ein großes Glück war, denn zuvor hatte ich bei zwei oder drei Chören in Heidelberg angefragt: „Ich würde sehr gerne singen, habe dabei große Freude, treffe aber wohl nur höchstens 60 % der Töne einigermaßen richtig, laut meinem Mann, der musiziert und gut hören kann.“ Es lag vielleicht nicht nur an der SARS-CoV-2-Pandemie, dass mich keiner der Chöre aufgenommen hat.

    Erst meine Psychosen in den Jahren 2018 und 2019 lösten meine Singblockaden, denn seit meiner Kindheit mochte ich meine Stimme nicht und traute mich kaum zu singen. Auch mein Mann hat mich immer wieder ermutigt und mich dafür gelobt, wie schön meine Stimme klingt. Er hat zu Hause eine Anlage für mich aufgebaut, damit ich beim Singen meine Stimme über Kopfhörer höre. Auch Karaoke mit Joysound hat er für mich eingerichtet.

    Singen hilft mir, mich selbst besser und genauer zu erfassen, genauso wie Malen. Das gemeinsame Singen im Beschwerdechor empfinde ich als besonders heilsam. Es fühlt sich für mich so an, als würden wir unsere Kräfte bündeln und gewaltige Energien freisetzen, um etwas Schönes zu erschaffen, das nachklingt: die Inklusion. Ich bin froh, dass mich dieser originelle und kreative Chor aufgenommen hat. Der Chorleiter ist ein wunderbarer Künstler und die Chormitglieder sind erfahren und mit ganzem Herzen dabei. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.

    Ich freue mich sehr auf unsere Aufführung und wünsche uns gutes Gelingen sowie ein aufmerksames und begeistertes Publikum!!

    Nachtrag: Vielen Dank an den SWR für den schönen Bericht anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai! https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-mannheim-circus-inclusioni-lebt-die-inklusion-im-zirkuszelt-100.html

  • Ausbruch aus den „verlorenen Jahren“

    Ausbruch aus den „verlorenen Jahren“

    Langsam nimmt meine Homepage Gestalt an. Unter „Studio“ habe ich mehr als vierzig Bilder hochgeladen – dabei fiel mir auf, dass keines davon zwischen 2012 und 2017 entstanden ist. Etwas später durchsuchte ich mehrfach meine Backupfestplatte, aber auch dort fand ich kein einziges Bild, das meine kreativen Impulse aus diesen Jahren bezeugen würde.

    Ich glaube, das liegt daran, dass ich in den ersten Jahren nach meiner ersten Psychose im Sommer 2010 kaum in der Lage war, mich mit dieser Erkrankung auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wurde ich hochdosiert mit Neuroleptika behandelt, in denen ich mich verlor. Erst viel später, als es mir besser ging und ich versuchte, ohne oder nur mit minimaler Medikation zu leben, begann ich mich wieder zu spüren – und auch, meine Psychosen besser zu verstehen.

    Die ersten Bilder nach den „verlorenen Jahren“ entstanden wohl während meines ersten wahnhaft-psychotischen Rückfalls 2018. Ich weiß nicht genau, warum ich damals plötzlich anfing zu malen. Was mir heute daran gefällt, ist, dass ich in diesem Raum völlige Freiheit habe. In diesem Raum kann ich alles zerstören, neu zusammensetzen und aufbauen, ganz nach meinen eigenen Vorstellungen. Allein meine Fähigkeit, mich selbst zu materialisieren, setzt diesem Raum eine Grenze. Vielleicht griff ich auch damals aus diesem Grund zu den Farben und Formen.

    Bis heute versuche ich, mir durch spielerisches und experimentelles Gestalten eine genauere Gestalt zu geben. Die Psychose hingegen ist für mich ein Zustand, in dem sich diese Gestalt – und mit ihr ihre Bedeutung – aufzulösen droht.