Schlagwort: Schizophrenie

  • Abschied von meiner geschätzten Kollegin und meinem geschätzten Kollegen

    Abschied von meiner geschätzten Kollegin und meinem geschätzten Kollegen

    Ich habe meine Psychoseerfahrung stets offen kommuniziert, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Bereits beim Bewerbungsgespräch im Juli 2011 erzählte ich meinem Vorgesetzten, der zugleich mein Diplomvater war und mit dem ich über die Jahre während der Promotion und der Postdoc-Zeit in Kontakt geblieben war, dass ich im Sommer zuvor eine Psychose erlebt hatte und mich beruflich neu orientieren wollte.

    Heute weiß ich, wie viel Glück ich hatte, schon bald darauf als technische Mitarbeiterin in seiner Abteilung beginnen zu dürfen. Ich kenne keine andere Person mit einer Schizophreniediagnose, die in diesem Maße gefördert und geschützt wurde. Von Anfang an fand ich ein Arbeitsumfeld vor, in dem ich offen sein konnte, mich sicher fühlte und in dem ich so arbeiten durfte, wie es mir möglich war.

    Gerade in den ersten Jahren, in denen ich hochdosiert mit Neuroleptika behandelt wurde, was mir Stabilität gab, aber auch meine kognitiven Fähigkeiten erheblich beeinträchtigte, erschrak ich nicht selten, wenn mein Kollege J. plötzlich und sehr energisch die Tür aufriss und mich aus meinen Tagträumen vor dem Bildschirm riss. J., meine Kollegin H. und ich mussten dann immer darüber lachen.

    Als ich meinen Mann kennenlernte und heiratete, freuten sie sich mit mir. Als ich versuchte, ohne Medikamente auszukommen, waren sie für mich da. In Zeiten von Rückfällen und bei der Wiedereingliederung machten sie sich Sorgen um mich. Als es mir zunehmend besser ging und ich mich schließlich in der Mental Health Initiative einbringen konnte, waren sie stolz auf mich und haben mich sehr unterstützt.

    Seit meinem Umzug nach Heidelberg vor acht Jahren ist der Kontakt zwar seltener geworden, aber meine Kolleginnen und Kollegen sind für mich nach wie vor eine Konstante. Unabhängig davon, wie es mir gesundheitlich ging, spürte ich stets ihre Unterstützung. Am vergangenen Mittwoch war ich nach langer Zeit wieder in Stuttgart, um mich persönlich von H. und J. zu verabschieden, da sie jetzt aufhören zu arbeiten.

    Danke, dass Ihr so lange meine Kollegin bzw. mein Kollege wart. Für meine Genesung war es von unschätzbarem Wert, dass gerade Ihr an meiner Seite wart. Ich bin sehr dankbar für die gemeinsame Zeit.

    Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute!

  • Erinnerungen an die bewegten Zeiten

    Erinnerungen an die bewegten Zeiten

    Wenn ich heute die Berichterstattung von „Democracy Now!” verfolge, denke ich zurück an eine prägende Phase meines Lebens vor 15 Jahren. Damals erlebte ich meine erste Psychose – kurz nachdem ich, nach der Promotion und meinem ersten Arbeitsverhältnis als postdoktorale Forscherin in London, ein Zweitstudium in Medizin begonnen hatte. Es war mein Versuch, als junge Erwachsene in einer turbulenten, globalisierten Welt meinen Platz zu finden.

    In dieser Zeit stieß ich auch auf die Werke von Noam Chomsky und begann, regelmäßig „Democracy Now!” zu schauen. Diese Stimmen halfen mir, das minimale Vertrauen in die Welt zu bewahren, an mich selbst zu glauben – und mit meinen Krisen zu hadern. Heute erfüllt es mich mit Hoffnung, junge Menschen zu sehen, die sich gewaltfrei für Frieden engagieren. Umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass viele von ihnen selbst extreme Gewalt und tiefgreifende Traumata erlebt haben.

    Vielleicht habe ich mich im Kern seit damals nicht wirklich verändert. Und doch ist in den letzten 15 Jahren so viel geschehen, dass ich mich frage, ob sich nicht doch alles verändert hat. Das Momentum, mit dem ich als Heranwachsende und junge Erwachsene versuchte, mich selbst und das Leben zu verstehen, lodert bis heute in mir weiter. Ich hoffe, dass ich es nie verliere.

  • Exzellenz ist inklusiv!

    Exzellenz ist inklusiv!

    Im Juli 2021 erschien mein erster Artikel mit dem Titel „Inklusion, Stigma und Arbeitsplatz – Perspektive einer Psychoseerfahrenen” in einer organisationsinternen Veröffentlichung mit einer Auflage von ca. 17.000. Darin schrieb ich über meinen Traum von der Inklusion und fragte mich, wie meine verminderte Leistungsfähigkeit zum Exzellenzbestreben der Forschungsorganisation passt.

    Seither habe ich gelernt, meinen Traum nach außen zu vertreten und mich gemeinsam mit Gleichgesinnten für Inklusion, Vielfalt und Menschenrechte einzusetzen. In der Forschungsorganisation habe ich drei Jahre in Folge die Veranstaltungsreihe zur mentalen Gesundheit koordiniert. Im Asylarbeitskreis Heidelberg war ich ein Jahr lang im Vorstand für die Geflüchtetenhilfe aktiv. Im Heidelberger Beschwerdechor habe ich für Inklusion mitgesungen.

    Beim Lesen des aktuellen Leitartikels in Le Monde diplomatique über die Rolle der USA und Chinas im globalen Handelskrieg erinnerte ich mich an ein kürzliches ZEIT ONLINE-Interview mit Niall Ferguson. Darin erklärte er, wie die DEI-Programme Tech-Unternehmer wie Musk in die Arme von Trump getrieben haben, da sie „nicht mehr die besten Leute für einen Job einstellen konnten, sondern stattdessen Minderheiten- und Opferkategorien beachten mussten“.

    Heute weiß ich: Exzellenz ist inklusiv!

    Das gilt für mich für gesellschaftliche Debatten über DEI-Programme genauso wie für die globale Ordnung. Inklusion und Vielfalt sind wichtig und relevant für alle, nicht nur für die Betroffenen. Wir alle brauchen ein Arbeitsumfeld, das wertschätzend und sicher ist, ohne den Druck, nicht krank oder leistungseingeschränkt werden zu dürfen. Ich glaube, dass Menschen nur in einem solchen Arbeitsumfeld ihre maximale Leistung erbringen und möglichst gesund bleiben können.

  • Ausbruch aus den „verlorenen Jahren“

    Ausbruch aus den „verlorenen Jahren“

    Langsam nimmt meine Homepage Gestalt an. Unter „Studio“ habe ich mehr als vierzig Bilder hochgeladen – dabei fiel mir auf, dass keines davon zwischen 2012 und 2017 entstanden ist. Etwas später durchsuchte ich mehrfach meine Backupfestplatte, aber auch dort fand ich kein einziges Bild, das meine kreativen Impulse aus diesen Jahren bezeugen würde.

    Ich glaube, das liegt daran, dass ich in den ersten Jahren nach meiner ersten Psychose im Sommer 2010 kaum in der Lage war, mich mit dieser Erkrankung auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wurde ich hochdosiert mit Neuroleptika behandelt, in denen ich mich verlor. Erst viel später, als es mir besser ging und ich versuchte, ohne oder nur mit minimaler Medikation zu leben, begann ich mich wieder zu spüren – und auch, meine Psychosen besser zu verstehen.

    Die ersten Bilder nach den „verlorenen Jahren“ entstanden wohl während meines ersten wahnhaft-psychotischen Rückfalls 2018. Ich weiß nicht genau, warum ich damals plötzlich anfing zu malen. Was mir heute daran gefällt, ist, dass ich in diesem Raum völlige Freiheit habe. In diesem Raum kann ich alles zerstören, neu zusammensetzen und aufbauen, ganz nach meinen eigenen Vorstellungen. Allein meine Fähigkeit, mich selbst zu materialisieren, setzt diesem Raum eine Grenze. Vielleicht griff ich auch damals aus diesem Grund zu den Farben und Formen.

    Bis heute versuche ich, mir durch spielerisches und experimentelles Gestalten eine genauere Gestalt zu geben. Die Psychose hingegen ist für mich ein Zustand, in dem sich diese Gestalt – und mit ihr ihre Bedeutung – aufzulösen droht.

  • Mein neues Projekt, ein Experiment.

    Mein neues Projekt, ein Experiment.

    Frohe Ostern!

    Dieses „vorgezogene“ Osterlamm habe ich als Dankeschön für die Tagesklinik Blankenburg gebacken, aus der ich letzten Mittwoch nach dreimonatiger Behandlung meines Burnouts entlassen wurde. Das Rezept gefällt mir sehr gut, und es ist bereits das 6. Osterlamm, das ich jedes Jahr zu Ostern backe.

    Für mich ist es ein neues Projekt, eine eigene Homepage zu gestalten – mein neues Experiment. Ich habe schon ein paar Mal für den Beschwerdechor eine WordPress-Seite gepflegt und für das PostdocNet die Website für die Mental Health Awareness Week 2022 und die Mental Health Initiative 2023 gestaltet. Ansonsten habe ich keine technischen Kenntnisse, und dieses Projekt ist eine echte Herausforderung!

    Im Moment ist meine Idee, meine bisherigen und ausgewählten Forenbeiträge seit 2012, zuerst im KNS-Forum und dann im neuen Schizophrenie-Forum, auf diese Blogseite zu übertragen. Ich möchte meinen Alltag seit meiner ersten Psychose und der Diagnose Schizophrenie im Sommer 2010 dokumentieren: Was ich getan habe, was ich gedacht habe, was ich gefühlt habe. Es waren 15 lange Jahre. Seitdem ist viel passiert.

    Ihr seid herzlich eingeladen, hier mitzulesen und mit mir in Austausch zu treten 😊 .